Mittwoch, 3. August 2016

"Mensch auf der Flucht" - Deutsch-Tschechisches Seminar in Susice

An einem Wochenende im Mai durfte ich meinen Koffer in Prag packen und etwa 2 Stunden Richtung Susice in das kleine Nachbardörfchen Albrechtice fahren. Es stand ein dreitägiges Seminar mit dem Titel "Mensch auf der Flucht" an, wozu ich mich nur aus Zufall und noch am letzten möglichen Anmeldetag beworben hatte und glücklicherweise prompt genommen wurde. 




Was für ein glücklicher Zufall. Denn obwohl ich relativ spontan und ohne große Vorbereitung zu diesem Seminar fuhr, kam ich mit umso mehr Eindrücken und neuem Input nach Prag wieder und muss sagen, dass mich das Wochenende in Albrechtice noch immer beschäftigt. 




Es handelte sich um ein deutsch-tschechisches Seminar "Mensch auf der Flucht", welches für junge Tschechen und Deutsche von dem Tandem-Projekt und Jugendportal "ahoj.info" organisiert und durchgeführt wurde. Hinter diesem Namen steckten aber, so durften alle Teilnehmer an diesem Wochenende herausfinden, drei tolle engagierte junge Frauen Kristýna Růžičková, Žaneta Šindlerová und Pauline Tschakert, die im Rahmen ihres Europäischen Freiwilligendienstes im Jahr 2015/2016 sowohl bei Tandem Regensburg als auch bei Tandem Pilsen tätig sind und sich für die Verständigung zwischen deutschen und tschechischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen engagieren.

Das Thema des Seminars war relativ weit gefasst, wurde jedoch über die Tage hinweg immer konkreter und so diskutierten alle Beteiligten leidenschaftlich zu den Themen Flucht, Identitätsfindung in einer neuen Gesellschaft sowie Diversität. 






Katarina Push begleitete das Seminar mit sogenannter "Sprachanimation", die für einige zunächst befremdlich oder gar "unangemessen" wirkte. Dabei sollten wir uns immer wieder in die Rolle von geflüchteten Menschen, oder insgesamt in die Rolle von Menschen hineinversetzen, die fernab von ihrer "eigentlichen" Heimat leben und mit Problemen zu kämpfen haben, die man sich oft nicht vorstellen kann. Schnell wurde bewusst, wie eigentlich einfache Missverständnisse, beispielsweise bei der behördlichen Anmeldung, zu großen Problemen für die Betroffenen werden könnten.

Da es bei der Einwanderung meiner Familie ähnliche Probleme gab (das kyrillsche Alphabet kann nicht so einfach transkribiert werden und so gibt es auf vielen meiner amtlichen Dokumente unterschiedliche Schreibweisen meines Nachnamens), konnte ich gerade diesen Hindernis sehr gut nachvollziehen.




Das besondere an diesem Seminar im Vergleich zu anderen Konferenzen oder Seminaren war der binationale Aspekt. Der Diskurs über geflüchtete Menschen in Europa wurde stets von mindestens zwei Seiten - der Tschechischen und der Deutschen - beleuchtet und oft fanden wir uns in hitzigen Debatten darüber wieder, wie das aktuelle Thema rund um die sogenannte "Flüchtlingsdebatte" in Deutschland sowie in Tschechien aufgenommen und aufgearbeitet wird. Natürlich wurden viele Unterschiede klar, die ich auch in vielen Gesprächen mit Tschechen in meiner Eramus-Zeit widergespiegelt sah.

Das gesamte Seminar und alle tschechischen sowie deutschen Beiträge wurden immer von Jiri simultan gedolmetscht und es hat uns alle begeistert, mit welchem Elan und welcher Geduld er alle Inhalte jedem, zu jeder Zeit verständlich machen konnte.




Vojtech Bohac
, ein junger tschechischer Journalist sprach mit uns über alle Fakten rund um das Thema Fluchtbewegung in Europa.



Tereza und Vavrinec erzählten uns von ihrem Einsatz als freiwillige Helfer beim Verteilen von Kleidung, Lebensmitteln und schilderten ihre hautnahen Eindrücke von der Arbeit mit Geflüchteten, Ruben andererseits  erzählte von seiner Arbeit in einem Deutschkurs in Berlin und auch einigen Herausforderungen, die er bei seiner Arbeit definitv auch erleben musste.




Am meisten haben mich die etwa drei Stunden Workshop zum Thema Diversität mit Alexandra Singpiel inspiriert und beeindruckt. Sie selbst arbeitet in Berlin mit Geflüchteten zusammen und zeigte uns mit simplen, aber unglaublich eindrucksvollen Methoden, wie weit und verzwickt das Thema Diversität für jeden Einzelnen von uns und vor allem in einer Migrationsgesellschaft ausfallen kann. Vor allem das "Punkte"-Spiel, welches bei vielen Seminarteilnehmern als das Highlight empfunden wurde, zeigte, wie leicht es ist, Minderheiten in einer Gesellschaft zu benachteiligen und wie oft das grundlos geschieht, obwohl sich jede Gesellschaft immer wieder neu und frei entscheiden könnte, alle Minderheiten und diversen Gruppen in ihre Gemeinschaft mit einzubeziehen.






Insgesamt waren die Tage in Albrechtice gefüllt mit tollen und anregenden Gesprächen, vielem neuen Input zum Nachdenken und einer tollen Stimmung in der Natur.







Ksenia

Freitag, 20. Mai 2016

Prag von einer anderen Seite - Ein Gastbeitrag von Tanja Mahlke



Eine der schönsten Seiten des Studentenlebens ist für mich eindeutig, dass so viele liebe Freunde in der ganzen Welt verstreut sind und man deshalb ganz hervorragend die Gelegenheit ausnutzen kann, um diese mal wieder zu treffen und gleichzeitig neue Städte und Länder kennenlernen und quasi von Einheimischen gezeigt bekommen kann. Juliane und ich wollten deshalb unbedingt ein paar Tage in Prag verbringen und Ksenia dort einen Besuch abstatten.


Nach einer kurvenreichen Busfahrt erreichten wir am Freitagabend die Innenstadt von Prag und wurden dort schon von Ksenia in Empfang genommen. Frisch erholt und ausgeschlafen machten wir uns am nächsten Morgen auf den Weg, um die wichtigsten Touristenattraktionen der Stadt zu besichtigen. Nach einem Besuch der Prager Burg, ging es über die von Menschenmassen und Kleinkünstlern belagerte Karlsbrücke in die Altstadt. 

Als Stärkung zwischendurch gab es einen in Prag inzwischen fast zur Tradition gewordenen (wenn auch nicht eigentlich original tschechischen) Trdelnik für uns Besucher, während die Pragerin selbst sich daran schon so satt gegessen hatte, dass sie lieber verzichtete. Es handelt sich um ein Gebäck, dass in Teigschichten gedreht und dann gebacken wird und in verschiedenen Variationen vom klassischen Gebäck mit Nüssen und Zimt bis hin zu herzhaften Kreationen mit Rucola und Tomaten angeboten wird. Sehr schmackhaft und an jeder Ecke zu haben!


Nach einer kleinen Verschnaufpause in unserer sehr zentral gelegenen Unterkunft, machten wir uns auf den Weg in ein typisch tschechisches Lokal, um traditionelle Köstlichkeiten zu probieren. Neben den klassischen Serviettenknödeln, die fest zu so gut wie jedem tschechischen Gericht gehören, gab es Gulasch und Rinderbraten. Für die klassische Prag-Erfahrung ging kein Weg daran vorbei! 

Um den Tag gebührend ausklingen zu lassen, entschieden wir uns für einen Ausflug zum Metronom von Letna, das auf einer Anhöhe liegt, von der aus man einen großartigen Blick über ganz Prag hat und den Sonnenuntergang genießen kann. Die Stimmung dort war großartig, so viele junge Menschen, Musik, sogar Tänzer und dieser wundervolle Blick!





Aussicht vom Letna-Park
Außerdem besuchten wir im Laufe unserer gemeinsamen Tage in Prag das Kloster Strahov, das eine umwerfend schöne Bibliothek beherbergt und ebenfalls einen atemberaubenden Blick über die Stadt und alle ihre wichtigen Denkmäler bietet. Auf dem Weg zurück in die Stadt machten wir einen Abstecher zur Deutschen Botschaft, einem historisch sehr bedeutsamen und sogar für mich, die ich während der großen Ereignisse dort noch nicht mal auf der Welt war, sehr stark mit Emotionen behafteten Ort. 

Nach einem kurzen Rundgang durch ein Universitätsgebäude, musste ich dann leider mal wieder feststellen, dass die Uni Essen rein ästhetisch nicht im Geringsten mithalten kann. Aber ich will nicht undankbar sein, der Ruhrpott hat auch seinen Charme!


Die Werke des Künstlers David Cerny begleiteten uns das ganze Wochenende über. Besonders beeindruckt hat uns neben den schon in diesem Blog vorgestellten Babys am Fernsehturm und der Trabanten Statue im Garten der Deutschen Botschaft vor allem auch der sehr moderne, bewegliche Kopf Franz Kafkas, der aus zahllosen kleinen Spiegeln besteht, die sich so häufig drehen, dass man einen geeigneten Moment erwischen muss, um den Kopf wirklich vollständig betrachten zu können. 




Besonders stolz machte uns Gäste, dass wir am letzten Tag kurz vor der Abreise sogar Ksenia noch eine Ecke von Prag zeigen konnten, die sie vorher nicht kannte.





Direkt am Wenzelsplatz, hinter einen schäbigen alten Ladenpassage versteckt, liegt ein schöner, kleiner Stadtgarten, der zum Verweilen einlädt, sodass die vielen tollen Orte, die Ksenia uns gezeigt hat, nun noch durch einen weiteren ergänzt werden können.


Es war ein unglaublich schönes Wochenende, an dem wir so viel gesehen und erlebt haben. Ein riesiges Dankeschön an eine kompetente Stadtführerin und vor allem tolle Gastgeberin!


Dienstag, 10. Mai 2016

Rezept: Makový koláč - Mohn-Kolatschen

Für etwa 12 kleine oder 6 große Kolatschen:


Für die Quarkfüllung:

250g Quark
75g Zucker
1 Ei

Für die Mohnfüllung:

Etwa 150-200g gemahlenen Mohn
Etwa 50-70g Zucker
1 Ei
Etwas Wasser

Für den Hefeteig:

500g Mehl
1/2 TL Saly
75g Zucker
250ml Milch
2 Päckchen Trockenhefe
75ml Öl (z.B. Sonnenblumenöl)
4 Eigelb

1. Die Milch in der Mikrowelle oder auf dem Herd erwärmen bis sie lauwarm ist, mit der Hefe und dem Zucker vermengen und für etwa 5 Minuten quellen lassen.

2. In der Zwischenzeit das Mehl, das Salz, den restlichen Zucker und das Öl zusammen in eine Schűssel geben und das Milch-Hefe-Zucker-Gemisch mit hinzugeben und zu einem geschmeidigen aber relativ festem Teig verkneten.

3. Den Teig an einem warmen Ort abgedeckt fűr etwa 1-2 Stunden gehen lassen. Der Teig sollte sich dann mindestens verdoppelt haben.

4. In der Zwischenzeit alle Zutaten fűr die Quarkfűllung verrűhren und die Mohnfűllung zubereiten.

5. Wenn der Teig aufgegangen ist, in etwa 12 kleine oder 6 große Portionen einteilen, yu Kugeln formen und so in den Händen formen, dass runde Teigteilchen mit einer Mulde entstehen.

6. Die Mohnfűllung gleichmäßig in die Mulden verteilen und mit einem Teelöffel der Quarkfűllung garnieren.

7. Fűr etwa 20-30 Minuten bei etwa 180 Grad Umluft goldbraun backen.

Lasst es euch schmecken.

Ksenia







Sonntag, 13. März 2016

Žižkov -Turm oder - wie die Babys Prag "erklimmen"


Zizkov-Turm mit den gut erkennbaren "Miminka" von David Cerny



Ein 216 Meter hohes Gebilde ragt über Prag hinaus. Ein ufoartiger Glaskasten auf 3 Stelen ist fast von keinem Punkt der Stadt aus zu übersehen. Alles begann 1992, als dieses ungewöhnliche "Kunstwerk" des Architektien Václav Aulický, 5 Jahre nach Baubeginn endlich eröffnet wurde. Es sollte bewusst "außer Konkurrenz" der Prager Altstadt und der historischen Gebäude stehen und tatsächlich könnte man meinen, es passe irgendwie nicht so ganz zum Stadtbild.
Tatsächlich gilt es sogar als eines der hässlichsten Gebäude der Welt. Für mich jedoch gehört der Turm mittlerweile fest zu meinem perfekten Prag-Panorama dazu. Fast jeden Tag sehe ich ihn auf dem Weg zur Arbeit aus Zizkov hervorragen und er fasziniert mich immer wieder. 


Das höchste Gebäude der Tschechischen Republik steht in einem meiner Lieblingsstadtteile Prags: Zizkov. Östlich vom Zentrum Prag gelegen, das sich seit den 1990er Jahren immer mehr zum Kunst- und Kulturszeneviertel mausert, was sich auch an den vielen tollen Bars und Kneipen bemerkbar macht. 
Auch den "Nový zidovsý hrbitov" - den "Neuen Jüdischen Friedhof", auf dem Franz Kafka begraben liegt, findet man im Stadtteil Zizkov.

Nicht zuletzt jedoch wegen der ganz anderen "Kleinigkeiten", denn wer ganz genau hinsieht, wird von weiter Ferne kleine schwarze Punkte an der Fassade des Turmes erkennen. Kommt man näher und sogar ganz nah an den Turm heran, traut man zunächst seinen Augen nicht. 10 riesengroße, scheinbar metallene "Miminka" - tschechisch für "Babys" - krabbeln den Turm fröhlich hinauf und hinab, als sei es das normalste der Welt. Für jeden Pragkenner wird schnell klar, wer nur für diesen Witz verantwortlich sein kann. Richtig: Hier hatte David Cerny wieder seine Finger im Spiel. 2000 wurden diese riesigen Plastiken am Turm angebracht und zieren bis heute den Zizkov-Turm, als ob der nicht schon "nackt" skurril genug wäre.


Das Modell





Die "Miminka" findet man übrigens noch an einem anderen Ort in Prag: Direkt neben dem Kampa Museum am linken Moldauufer stehen drei genau dieser Miminka und werden regelmäßig Kulisse von sehr amüanten und oft nicht ganz jugendfreien Fotos ausländischer Touristen.
Ein weiteres Highlight: Bei Nacht wird der Turm von den Farben der tschechischen Nationalflagge - Blau, Weiß, Rot - angestrahlt.




Der Zizkovturm bietet einen wirklich atemberaubenden 360 Grad Blick (Studenten zahlen 140 CZK, ungefähr 6 Euro) auf ganz Prag. Das besondere an seinem Ausblick ist die Möglichkeit sehr weitläufig über Prag hinauszublicken. Mir ist erst auf dem Zizkovturm richtig aufgefallen, dass die Häuserblöcke im Zentrum Prags oft kreisförmig angeordnet sind, sodass jeder Häuserblock einen recht großen Innenhof besitzt, der von außen kaum zugänglich ist.








Sonntag, 6. März 2016

Ein Nachmittag auf dem Vyšehrad



Das beste an Prag ist diese Mischung aus lebendiger Stadt voller Menschen und Eindrücken und den ruhigen, oft menschenverlassenen grünen Lungen der Stadt, wie dem Petrin-Hügel, dem Letna-Park, ja und dem Vyšehrad. Genau hierher hatte es mich gestern Nachmittag verschlagen. Der südlich auf der rechten Seite der Moldau gelegene Teil der Stadt ist genau einer dieser grünen Oasen, der Hund und Besitzer, Paare, ältere Leute und alle. die etwas Ruhe und Idylle suchen, anzieht.

Zu Fuß gelangt man recht schnell, wenn auch mit steilem Aufstieg auf die hohe Erhebung der Stadt. Durch einen Tunnel erreicht man dann auch schon den Vyšehrad.




Hier wird man mit einer ganz besondere Aussicht belohnt. Nördlich reckt sich die Prager Burg in den Himmel, westlich macht der Petrin-Hügel mit dem alten Fernsehturm dem Vyšehrad Konkurrenz, östlich beeindruckt der neue Fernsehturm in Zizkov mit seiner kuriosen Gestalt. 








Und wenn man vom Vyšehrad in Richtung Süden schaut, kann man dem Moldauverlauf raus aus der Stadt folgen.





Von oben kann man auch den 1904 eröffneten Tunnel sehen. der durch den Vyšehrad-Felsen führt.

Aber der Vyšehrad hat nicht nur luftige Höhe und einen Panorama-Blick über Prag zu bieten. Die alte "Prager Hochburg" wird durch die St. Peter-und-Paul Kathedrale , die von allen Punkten der Stadt zu sehen ist und zahlreichen Parkanlagen, die zum Joggen und Spazieren einladen, geschmückt.






Auch der Vyšehrader Friedhof mit dem "Slavin", der Ehrengruft verschiedener wichtiger tschechischer Persönlichkeit, unter anderem des Künstlers Alfons Mucha befindet sich innerhalb der Burganlage. Hier fanden auch die berühmten tschechischen Komponisten Bedrich Smetana und Antonín Dvorák ihre letzte Ruhestätte.


Die "Letní Scená" -  die Sommerbühne - war gestern noch geschlossen, bietet aber im Sommer Platz für Theaterstücke und ist eine wunderschöne Open Air Bühne.
Vyšehrad ist ein absoluter Rückzugort vom Trubel der Stadt und sicherlich vor allem im Sommer eines Spaziergangs wert.


Mittwoch, 16. Dezember 2015

Weihnachten in Prag. Oder - Wie ein Schuh zum Orakel wird.

Es gibt eine Zeit im Jahr, da werden die einen besinnlich und die anderen depressiv.
Massen mit Paradiesäpfeln in den Mündern, Einkaufstüten in den Händen, Tannenbäumen auf der Schulter und Glühwein an den Lippen (wahlweise auch mit zuckersüßem Honigwein) stürmen durch die Gassen der Städte, zusammengedrängt und doch mit strahlender Freude oder eben gnadenloser Anstrengung in den Augen.

Obwohl das Auswertige Amt von fast 80 % Tschechen ausgeht, die ohne religiöse Bekenntnis sind, geht die Weihnachtszeit auch in Prag nicht spurlos an den Menschen vorüber. Die Frage nach einem noch aktuellen Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Feiern von Weihnachten soll hier an dieser Stelle aber sowieso keine Rolle spielen.

Im Folgenden möchte ich 3 Bräuche aufgreifen, die mir hier begegnet sind, die die Tschechen über die Weihnachts- und Neujahrstage so pflegen und die mal eine Abwechslung zum klassischen Bleigießen (in Tschechien auch sehr beliebt) oder Raclette wären. Natürlich ist jede Familie anders, für viele spielen diese Bräuche und Traditionen überhaupt keine Rolle, aber trotzdem ist es ganz amüsant zu sehen, was beliebt ist. 





1. Die Zukunft "in a nutshell"


Man nehme Walnüsse und eine Schüssel mit Wasser (oder eine Badewanne in der Luxusvariante). Jetzt werden die Walnüsse vorsichtig geleert ohne die Schale zu zerbrechen und eine kleine Geburtstagskerze mit eigenem heißen Wachs darin werden darin platziert. Anschließend zündet man die Kerze an und lässt sie ganz vorsichtig in die Mitte der mit Wasser gefüllten Schüssel nieder. Jetzt nur noch beobachten was passiert, um somit "in die Zukunft" zu sehen.
Es gibt viele Interpretationen: die einen sagen, man stirbt, wenn die Schale sogleich sinkt (viele Bräuche sind kurioserweise mit dem Tod verbunden), andere sprechen von anderem großen Unglück, was einem in diesem Falle widerfährt. Treibt die Schale davon und nähert sich nicht den Schalen der anderen, wird man weit reisen, so sagen die einen oder wird ein langes und glückliches Leben führen, so die anderen. Ich bin mir sicher, dass sich meine Zukunftsvorschau erfüllen wird.


           


Die Walnussschale wird vorsichtig zu Wasser gelassen.
Mein "Böötchen ist das  mit der grünen Kerze oben rechts. Wohin wirds wohl als nächstes gehen?




2. Tod oder Leben? Ein Apfel zeigt es.


Ein weiterer recht simpler Brauch, der leicht nachzumachen ist und nicht viel Außergewöhnliches benötigt, ist das Apfelschnitzen. Nach dem Essen an Weihnachten werden hierzu ganz normale Äpfel in der Mitte, allerdings horizontal, aufgeschnitten. Ist das Kerngehäuse im Mittleren des Apfels sternförmig, wird es im nächsten Jahr viel Glück und Gesundheit geben. Zeichnet sich dort jedoch ein Kreuz ab, so ist dies ein böses Omen und man wird krank oder stirbt im nächsten Jahr sogar. Süße Idee, aber warum denn solch radikalen Vorhersagen?

Das Innere meiner Apfelhälfte ist ja wohl eindeutig sternenförmig, oder?



3. Brautstrauß   ehh... Schuhwerfen


Der dritte Brauch den ich kennengelernt habe, zeugt von der anscheinend großen Lust junger tschechischer Mädchen (oder ihrer Familien) zu heiraten, denn anscheinend gibt es einige Bräuche, die die eheliche Zukunft der Töchter voraussagen soll.
Dabei muss es gar nicht das uns bekannte Brautstraußwerfen sein, was mich so ein bisschen an diese Tradition erinnert. Ein herkömmlicher Schuh tut es auch. 
Eine nicht verheiratete Frau nach der Anderen stellt sich mit dem Rücken zu einer Tür, nimmt einen Schuh und wirft selbigen über ihre Schulter Richtung Tür. Zeigt dieser mit der Spitze zur Tür, klingeln im nächsten Jahr für sie die Hochzeitsglocken, richtet sich die Spitze des Schuhs dagegen von der Tür weg oder zeigt in eine andere Richtung muss die Frau leider noch ein bisschen warten. Das Aufatmen der Männer dürfte sowohl beim Brautstraußwerfen, als auch beim Schuhwerfen sehr ähnlich sein.


Nächstes Jahr darf ich wohl an der Hochzeit meiner finnischen Freundin Elina teilnehmen.Mein Schuhwurf dagegen indizierte mir, dass ich noch etwas Zeit habe.




Es gibt natürlich noch Unmengen an weiteren Traditionen. Manchen Tschechen, sind aber auch die oben genannten Bräuche garnicht bekannt. Ich fand es schön, diese mal kennenzulernen und werde sie mit meinen Freunden an Silvester in Prag ausprobieren.
So neigt sich 2015 auch schon, wenn auch langsam, dem Ende zu. Die ersten Klausuren sind geschrieben, die Koffer bald gepackt und es geht für mich über die Feiertage zurück in die Heimat. Ich freue mich schon riesig alle wiederzusehen, aber auch wieder herzukommen und Silvester in dieser tollen Stadt zu verbringen. 


Ksenia




















http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/TschechischeRepublik_node.html


Sonntag, 22. November 2015

Der 17. November in Prag - Nicht nur für mich ein besonderer Tag

Der 17. November ist in Tschechien ein ganz besonderer Tag. Vor allem in Prag herrschte vergangenen Dienstag ganz schöner Trubel. Für mich persönlich gab es gleich mehrere Ereignisse, die mich noch lange an diesen Tagen werden denken lassen.
Genau genommen sollte jeder Student diesen Tag besonders gut kennen, tatsächlich ist der 17. November ein internationaler Tag der Studenten und erinnert bereits seit dem Jahre 1941, als er von London aus ausgerufen wurde an die Proteste junger tschechischer Studenten in Prag gegen die deutsche Besatzung der Tschechoslowakei im Oktober und November 1939. Vor allem ein junger Mann steht in Tschechien für diese aufständische studentische Bewegung und wird noch heute als Held gefeiert. Jan Opletal, ein junger tschechischer Medizinstudent wurde am 28. Oktober 1939 bei eben solchen Demonstrationen durch einen Schuss schwer verletzt und erlag diesen am 11. November 1939. 
6 Tage später - am 17. November folgten dann bei der "Sonderaktion Prag" die wohl größten Sanktionen der Nazis gegen die studentischen Aufstände, indem die Besatzer ,befohlen durch Hitler, viele Studenten hinrichteten, über tausend Studenten in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportierten und viele studentische Institutionen schlossen.
Zudem gilt das Gedenken an diesem Tag seit 1989 auch den studentischen Aufständen am Vorabend der sogenannten "Samtenen Revolution", zu der ich aber in einem weiteren Blogeintrag vorhabe zu erzählen.


Von der Relevanz des 17. Novembers bekam ich schon sehr früh in meinem Auslandsaufenthalt mit, allerdings von relativ ungewöhnlicher Seite.
Als für mich feststand, dass ich in Prag leben würde, gingen damit einige Ziele für diese Zeit einher. Eines davon: wieder anfangen zu singen. Ich habe immer schon sehr gerne gesungen und vor allem in meiner Schulzeit viel und oft zu einigen Gelegenheiten.
Seit dem ich mein Studium begonnen habe und somit auch von zuhause weggezogen bin, wurde das immer mehr zur Rarität.
In Münster fand ich weder einen geeigneten Rahmen dafür, weil ich doch meistens nur privat gesungen hatte, noch traute ich mich so richtig, die Musik laut in meiner Studentenbude zu machen.
Und so verstrichen tatsächlich zwei Jahre in Münster, ohne dass ich mal wieder so richtig gesungen hätte. 

In Prag war das aber anders. Schon in der ersten Woche sollte eine Email mir genau diesen Wunsch greifbar nahe bringen. In dieser wurde angekündigt, dass sich der Chor der Karls-Universität von nun an jeden Mittwoch treffen und am kommenden Mittwoch die erste Probe stattfinden würde.
Ich wusste: da muss ich hin. Ich hatte zwar vorher noch nie wirklich in einem Chor gesungen, aber in der Email wurde beschrieben, dass keine Vorbereitungen oder Vorkenntnisse erforderlich seien und so machte ich mich schnell auf den Weg zur ersten Probe, die sich, anders als ich und viele weitere "Neulinge" gedacht hatten, als Vorsingen rausstellte. Soviel sei gesagt, nur einige wenige Vorsänger durften nicht dabei sein, aber ein wenig stolz, dass ich mitsingen durfte, war ich dann schon.


Die letzten Wochen verbrachten wir also damit 13 Stücke einzustudieren. Das Ziel: 
Ein Konzert und eine musikalische Begleitung bei der Kranzniederlegung tschechischer Soldaten am 17. November.

Die Stücke sind klassische tschechische Stücke von den berühmten tschechischen Komponisten Dvorák und Suk. Die Schwierigkeiten für diejenigen von uns, die aus dem Ausland kommen, war die Sprache. Eine besondere Herausforderung für mich war dabei auch noch die Verbindung zu dem Singen nach Noten, weil ich das vorher nie geübt hatte. Schnell wuchsen einem aber die Stücke ans Herz und vor allem das Stück "Mat´ Moja" (Meine Mutter) von Suk berührt mich noch immer sehr, auch wenn ich bis heute einen Ohrwurm davon habe und es nahezu auswendig singen kann.

"Mat´ Moja" von Suk



Für mich war dieser Tag so besonders, weil ich einerseits einfach bei diesem Ereignis dabei sein durfte, was für mich schon aus historischen Gründen sehr interessant ist, auf der anderen Seite, waren wir mit dem Chor auch ein zumindest kleiner Teil dieses Tages und das war sehr bewegend.


So sangen wir morgens vor dem noch heute als eben solchem genutzten Studentenwohnheim "Hlávkova kolej". Damit begleiteten wir die Kranzniederlegung tschechischer Soldaten in Erinnerung an die "Sonderaktion Prag" und an die ermordeten und deportierten Studenten, unter anderem Jan Opletal, der in diesem Studentenwohnheim lebte. Vorher hielten einige tschechische Politiker, unter anderem der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka, ein Student und ein Zeitzeuge, der damals ein Student gewesen war und das Konzentrationslager Sachsenhausen überlebte, Reden zu eben diesem Anlass. Leider konnten viele von uns, auch ich, nicht besonders viel verstehen, da die Redner auf tschechisch sprachen, dennoch merkte man, dass wir da gerade bei etwas Bedeutendem dabei waren.
Eingang zum "Hlávkova kolej" mit einer Gedenktafel für Jan Opletal


Kränze im Namen vieler bedeutender Politiker und Menschen der Öffentlichkeit



Abends fand dann ein Konzert mit dem Chor sowie dem Orchester der Karls-Universität statt. Währenddessen fanden in Prag viele weitere Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen in Prag statt. Ich möchte bewusst in einem meiner nächsten Blogeinträge auf diese Demonstrationen und Ereignisse eingehen, da diese auch mit der jetzigen politischen und sozialen Situation in Prag und Tschechien zutun haben und meiner Meinung noch eines eigenen Blogeintrags und einiger Recherche meinerseits bedürfen.


Programm des Konzertes am Abend

Der Auftritt des Orchesters der Karls-Universität

Kerzenmeer für die Studenten



Zu guter letzt ist dieser Tag für mich noch aus einem anderen, wenn auch etwas unbedeutenderen Grund so wichtig. Genau vor zwei Monaten bin ich nach Prag gezogen. 
Noch jetzt fühlt es sich irgendwie unwirklich an. Die Zeit vergeht hier wirklich wie im Flug. Ich denke viele Leute, die für einige Zeit woanders gelebt haben und so viele Menschen kennengelernt und soviele Eindrücke auf einmal hatten, werden mir zustimmen, dass genau diese Zeit im Leben rasend fließt. So buchen bereits jetzt zwei meiner Mitbewohner ihre Tickets zurück nach Hause und bald heißt es dann bereits von vielen neuen liebgewonnen Menschen Abschied nehmen. Das ist wirklich verrückt und absurd. Aber umso mehr zeigt es mir, dass es genau richtig ist, solche Erfahrungen zu sammeln und mal aus meiner Komfortzone auszubrechen. Ich bin wirklich glücklich das erleben zu können.







- Nachrichten mit Live-Übertragung vom 17. November in Prag. Ab Minute 118 Live-Übertragung der Veranstaltung vor dem "Hlávkova kolej"

Ksenia